Hoffen – Helfen – Heilen
28. März 2023

Emil Morsch – Ein Pionier der Leukämiehilfe wird 80 Jahre

Es gibt Menschen, die sich von Schicksalsschlägen nicht aufhalten lassen. Die sich nicht entmutigen lassen, entschlossen vorangehen, bis sie auch aus einer vermeintlich aussichtslosen Lage einen Ausweg finden. Genauso ein Mensch ist Emil Morsch. 1986 hat er nach dem Tod seines Sohnes Stefan gemeinsam mit seiner Frau Hiltrud die Stefan-Morsch-Stiftung gegründet – Deutschlands erste Stammzellspenderdatei. Dieser Pionier der Hilfe für Leukämiekranke wird jetzt 80 Jahre.

Emil und Hilttrud Morsch gründete die erste Stammzellspenderdatei in Deutschland

Die Geschichte der Stefan-Morsch-Stiftung ist ein Stück weit auch die seiner Familie. Unzählige Male hat Emil Morsch sie bereits erzählt: Vom Kampf um das Überleben des leukämiekranken Sohns Stefan in der festen Überzeugung, ihn zu retten – irgendwie. Eine für die damalige Zeit experimentelle Transplantation mithilfe eines unverwandten Spenders, die erst nach vielen Rückschlägen in den USA durchgeführt werden konnte. Es hätte alles gut ausgehen sollen. Doch nach der Heilung der Leukämie stirbt Stefan an einer Lungenentzündung. Aus der Not heraus wurden Emil und Hiltrud Morsch zu Vorreitern und Experten darin, Betroffene und ihren Familien zu unterstützen. Aus dem Tod des eigenen Kindes schufen sie Überlebenschancen für andere Betroffene – und setzten gleichzeitig einen entscheidenden Baustein für das heute weltumspannende Netzwerk der Leukämiehilfe.

Emil Morsch sitzt vor dem Gebäude der Stefan-Morsch-Stiftung.

Foto: Reiner Drumm

Trotz Ruhestand: Emil Morsch setzt sich für Leukämiehilfe ein

Fast 40 Jahre sind vergangen und vieles hat sich seitdem verändert. Sein Alter ist für Emil Morsch jedoch kein Hindernis, um im Auftrag der Stiftung unterwegs zu sein – auch wenn er es nach langer Zeit als ‚Sucher nach Auswegen‘ und dem hartnäckigen Einsatz für Betroffene heute ruhiger angehen lässt. Wieder einmal sitzt er am Tisch eines jungen Mannes. Wie immer hat er dabei eine Tasche mit dem aufgedruckten orangenen Stern der Stefan-Morsch-Stiftung auf dem Schoss. Es ist erst wenige Tage her, dass dieser junge Mann Stammzellen gespendet hat, für einen fremden Menschen mit Leukämie – irgendwo auf der Welt. Und er ist einer von vielen, bei denen er sich persönlich für den Einsatz bedankt und ein kleines Dankeschön im Namen der Stiftung überreicht. Schon immer waren Termine mit Lebensrettern und -retterinnen in seinem Kalender rot angestrichen. Auch jetzt im Ruhestand sind sie für ihn selbstverständlich und wichtig. Nach wie vor ist er für Treffen mit Menschen, die sich für die Stiftung einsetzen, immer zu haben. Und das obwohl er sich 2016 – zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau Hiltrud – aus dem Stiftungsvorstand zurückzog. „Wann immer ich gebraucht werde, bin ich da. Und darüber hinaus“, erzählt er scherzend.

Fast 40 Jahre im Einsatz für Menschen mit Blutkrebs

Unzählige Geschichten kann er aus mehr als drei Jahrzehnten Einsatz für Leukämiekranke erzählen. Manche davon sind traurig. Aber genauso viele erzählen von Hoffnung und Leben. Woher er die Energie für sein Engagement nimmt? Breit lächelnd antwortet Emil Morsch: „Das liegt an meinem Sternzeichen. Ich bin Widder und bekannt dafür, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen.“ Beispiele dafür gibt es so einige. Wie etwa aus den ersten Jahren der Stammzellspenderdatei: Die Transplantation von Stammzellen nicht-verwandter Spender:innen war in Deutschland mittlerweile etabliert, es gab registrierte Menschen mit Bereitschaft zur Spende, es gab organisierte Prozesse – aber es fehlte in den Kliniken an Bettenkapazität. Mehr als ein Jahr sollten Patient:innen auf eine Transplantation warten. Zeit, die die meisten nicht hatten. Empört fing Emil Morsch an zu telefonieren, boxte schließlich 1994 die Eröffnung einer passenden Station in der nahegelegenen Klinik in Idar-Oberstein durch und förderte mit der Stiftung auch an weiteren Kliniken den Auf- und Ausbau der Transplantationseinheiten – wie zum Beispiel an der Charité in Berlin und dem Malteser Krankenhaus St. Franziskus Hospital in Flensburg.

Humor ist ein wichtiger Begleiter

Neben der Durchsetzungskraft ist Humor sein wichtiger Begleiter. Zu Streichen aus dem Erwachsenenalter schweigt er und lächelt tiefgründig. Doch was er aus seiner Jugend verrät, erinnert an Geschichten von Wilhelm Busch. Er erzählt von blonden Mädchenzöpfen, die er heimlich in Gläser mit blauer Tinte tauchte. Von Mäusen, die er im katholischen Klostergymnasium in der Küche bei den Nonnen aussetzte oder davon, dass er den Pater erschreckte, indem er das Podium, unter dem er sich versteckte, schweben ließ. „Ich war meistens die führende Kraft hinter solchen Unruhen. Es gab den ein oder anderen Anruf bei meinen Eltern, aber mein Vater hatte immer Verständnis für meine Scherze“, erzählt er lachend.

Die Stiftung ist ein wichtiger Lebensinhalt für Emil Morsch, doch sie ist nicht alles. Das bleibt auch mit 80 Jahren so – genau, wie die Ruhelosigkeit. So besucht er klassische Konzerte, weil seine Lebensgefährtin diese Musik liebt. Er reist regelmäßig nach Kreta, das nach seinen Einsätzen als Verwaltungsoffizier bei der Bundeswehr und einigen Familienurlauben – noch zu Lebzeiten Stefans – seine zweite Heimat geworden ist. Er löst lange versprochene Besuche bei alten Freund:innen ein und verschmäht niemals eine Runde Skat. Seit einem halben Jahrhundert nutzt er seinen „Dickkopf“ auch für kommunalpolitisches Engagement. Ruhe findet er jedoch bei seiner größten Leidenschaft: dem Fliegen in einem Sportflugzeug. „Das übt auf mich eine große Faszination aus. Man kommt viel schneller voran und für mich als Autofahrer mit Tendenz zum Bleifuß ist das die sicherste Art zu reisen“, erklärt er zuerst ernst und lacht dann. Es mag überraschen, dass er, der gerne voranschreitet und das Ruder übernimmt, ausgerechnet hier nur auf dem Platz des Co-Piloten sitzt. Vielleicht liegt der Reiz aber auch genau darin, ohne Anstrengung und Hindernisse zum Ziel zu kommen, in Ruhe die Welt von oben zu betrachten, von wo aus alles doch gleich ganz anders aussieht.


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