01. November 2020

Leukämie: „Und plötzlich war mein Leben weg“

Die 20-jährige Mara aus Brandenburg an der Havel erkrankt an akuter Leukämie. Nach mehreren Chemotherapien gilt sie als geheilt. Doch die Krankheit kommt zurück. Um zu überleben ist die junge Frau auf eine Stammzelltransplantation angewiesen. Die Suche nach einem passenden Spender gestaltet sich schwierig – auch durch Corona.

„Endlich nicht mehr im Krankenhaus“

Eigentlich wäre Mara gerade mitten im Studium. Grundschullehramt – ihr Traumberuf. Demnächst würde das neue Semester starten. Statt im Lehrsaal der Uni ist Mara aber zuhause – und trotzdem froh darüber: „Endlich nicht mehr im Krankenhaus“, lacht sie. Vor zwei Jahren wurde das Leben der 20-Jährigen von einem Tag auf den anderen komplett auf den Kopf gestellt, mitten im Praktikum an ihrer alten Grundschule: „Ich habe mich nicht so gut gefühlt und bin deshalb zu meinem Hausarzt.“ Der nimmt Blut ab und schickt sie noch am selben Tag ins Krankenhaus. Die Diagnose: akute myeloische Leukämie, kurz AML, eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. Am Abend bekommt sie ihre erste Chemotherapie. Mara, ihre Familie und Freunde stehen unter Schock: „Plötzlich war mein Leben weg. Alle meine Pläne haben sich auf einen Schlag in Luft aufgelöst.

Letzte Chance: Stammzelltransplantation

Nach vier Chemotherapie-Zyklen, ist Mara am Ende ihrer Kraft: „Alleine essen oder laufen – all das ging nicht mehr“, erinnert sie sich. Nur sehr langsam erholt sie sich. Die Ärzte sind trotzdem zunächst zufrieden, der Krebs scheint besiegt zu sein. Doch er kommt zurück und weitere vier Chemotherapien später ist klar: Mara benötigt eine Stammzelltransplantation, um überleben zu können. Zur Vorbereitung auf die Transplantation wird zunächst beim Patienten das Knochenmark mit den Tumorzellen zerstört werden. Dies geschieht durch eine Chemotherapie oder Ganzkörperbestrahlung. Zudem wird das Immunsystem unterdrückt, um Abstoßungsreaktionen zu vermeiden. Spender und Empfänger müssen außerdem die gleichen genetischen Gewebemerkmale haben. Da diese sehr vielfältig sind, gestaltet sich die Suche nach einem passenden Stammzellspender häufig schwierig. Nur etwa ein Drittel der Patienten findet einen geeigneten Spender in der eigenen Familie, alle anderen sind auf eine sogenannte Fremdspende angewiesen.

Corona erschwert die Suche nach passendem Spender

Dies war auch bei Mara der Fall: „Als erstes hatte man vier Personen ausgesucht. Leider hat von denen dann bei näherer Untersuchung doch keiner gepasst.“ Es vergehen weitere Wochen in Ungewissheit, die Zeit arbeitet gegen die sonst so lebenslustige junge Frau. Wird nicht rechtzeitig ein passender Spender gefunden, benötigt sie eine weitere Chemotherapie, die sie zusätzlich schwächen würde. Als sie erfährt, dass ein potenzieller Spender in der Türkei eventuell infrage kommt, ist sie überglücklich: „Ich habe mich so gefreut. Wegen Corona durfte er aber dann nicht spenden.“ Die Ärzte sind besorgt, entscheiden jeden Tag neu darüber, ob man weiter auf einen passenden Spender warten kann. „Diese Unsicherheit, ob jemand gefunden wird oder nicht – auch wegen Corona – das war schlimm und nur sehr schwer auszuhalten.“ Nach zwei Wochen kommt endlich der erlösende Anruf: Durch die Stefan-Morsch-Stiftung wurde eine passende Spenderin in Deutschland gefunden. Doch die ist erkältet, die Transplantation muss warten, bis sie wieder ganz gesund ist. „Das war schon nervenaufreibend, vor allem, weil die Ärzte in Sorgen waren, ob die Zeit reicht oder ich doch noch die Chemo bekommen muss.“ Dann, am 17. April diesen Jahres, kann die Transplantation der Stammzellen endlich stattfinden: „Ich habe mich mega gefreut, war aber auch ängstlich, was mich erwartet“, erzählt Mara. „Dabei war es eigentlich gar keine so große Sache. Es war, wie wenn man eine Bluttransfusion bekommt.

Stammzellspende: Ein lebensrettendes Geschenk

Mara erholt sich schnell. Nur einen Monat später kann sie bereits nach Hause entlassen werden. „Ich bin meiner Spenderin so dankbar. Sie hat mir ein neues Leben geschenkt.“ Da Spender und Empfänger in Deutschland zwei Jahre lang keinen direkten Kontakt haben dürfen, hat Mara ‚ihrer Spenderin‘ einen langen Brief geschrieben, der über die Stefan-Morsch-Stiftung anonymisiert weitergeleitet wurde: „Ich wollte ihr einfach persönlich danken. Das war mir sehr wichtig. Und ich war auch neugierig, was sie für ein Mensch ist. Es geht einem so viel durch den Kopf.“ Mittlerweile kam schon eine Antwort, über die sich Mara sehr gefreut hat: „Meine Spenderin möchte sich auch mit mir treffen, wenn die zwei Jahre vorbei sind. Ich kann es kaum erwarten, ihr persönlich zu danken und sie kennenzulernen.“

Typisierung ist erster Schritt zum Lebensretter

In der Zwischenzeit ist Mara nicht untätig. Sie ist in den Sozialen Medien sehr aktiv und möchte anderen Betroffenen Mut machen, aber auch aufklären: „Nie die Hoffnung aufgeben, dann kannst du alles schaffen“, betont sie. „Es hat mich erschreckt, wie viele aus meinem Freundeskreis keine Ahnung hatten, was Leukämie ist oder eine Stammzelltransplantation. Dabei ist es so einfach: Man gibt eine Speichelprobe ab und kann vielleicht in der Zukunft einem Leukämiekranken das Leben retten. Deshalb versuche ich, das noch bekannter zu machen, in der Hoffnung, dass sich viele registrieren.“ Als nächstes steht für Mara ein Fotoshooting bei einer bekannten schwedischen Brautmoden-Firma auf dem Programm. Das Motto: Zwischen Tüll & Tränen. „Den ersten Termin mussten wir verschieben, weil es mir damals wegen der Chemo nicht so gut ging. Jetzt möchte ich allen zeigen, dass man auch ohne Haare schön ist. Deinen Körper so anzunehmen wie er ist, das ist unglaublich wichtig.“ Für 2021 hat sie den Start ihres Studiums geplant: „Grundschullehrerin ist mein Traumberuf und ich freue mich sehr, dass ich jetzt endlich loslegen kann – dank meiner Spenderin.“

Mehr als 9.000 Spender fehlen

Schon ohne Corona ist die Suche nach einem passenden Spender häufig eine Herausforderung. Bedingt durch die aktuellen Hygiene-Vorgaben kann die Stefan-Morsch-Stiftung derzeit nur sehr eingeschränkt Typisierungsaktionen vor Ort durchführen – es fehlen bereits über 9.000 Spender im Vergleich zum Vorjahr. „Da zum einen die genetischen Gewebemerkmale von Spender und Empfänger für eine möglichst komplikationsfreie Transplantation übereinstimmen müssen und zudem altersbedingt jedes Jahr Spender aus der Datei ausscheiden, sind wir darauf angewiesen, dass sich so viele Menschen wie möglich als potenzieller Lebensretter zur Verfügung stellen“, betont Susanne Morsch, Vorsitzende der ersten deutschen Spenderdatei. „Die Zahl der Leukämiepatienten, die auf eine Fremdspende angewiesen sind, ist unverändert hoch. Nur gemeinsam können wir unser Ziel erreichen, für jeden Betroffenen einen passenden Spender zu finden.“ Die Stefan-Morsch-Stiftung bietet deshalb hier die Möglichkeit, sich online zu registrieren: „Man muss lediglich ein paar Gesundheitsfragen beantworten und bekommt ein Set für eine Speichelprobe direkt nach Hause geliefert, das man dann an uns zurückschickt. Das ist ganz einfach“, erläutert Susanne Morsch. Ein kleiner Aufwand, der vielleicht eines Tages hilft – wie bei Mara – ein Menschenleben zu retten, denn, so die Vorsitzende: „Leukämie kann jeden treffen.“

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