Hoffen – Helfen – Heilen
02. Mai 2025

„Mein kleiner großer Riese!“

Wie eine Tat zwei Leben veränderte

Stabsunteroffizier Phillip S. ist ein Held. Er hat ein Menschenleben gerettet. Einen Orden hat er dafür bislang nicht bekommen, aber das ist ihm auch nicht wichtig: „Wenn du weißt, dass du die einzige, die letzte Option bist, dass ein Mensch gerettet wird, dann kannst – nein, dann darfst du nicht nein sagen“, betont er. Dank seiner Überzeugung hat sie überlebt: Isolde H. „Der Arzt im Krankenhaus war ganz klar und deutlich: Wenn wir niemanden finden, dann stirbst du“, erinnert sich die ehemalige OP-Schwester. Was sie in dieser Zeit aufrecht hält sind insbesondere ihre Mitpatientinnen, die in der gleichen Lage sind und ihr Halt geben.

Doch beginnen wir am Anfang. Den Grundstein, ein Lebensretter zu werden, legt Phillip S. 2017. Damals absolviert er seine Grundausbildung bei der Bundeswehr und nutzt bei einer Typisierungsaktion die Gelegenheit, sich als Stammzellspender bei der Stefan-Morsch-Stiftung, Deutschlands erster Stammzellspenderdatei, zu registrieren: „Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden. Mich hat das beeindruckt, dass ich ohne großen Aufwand jemandem helfen kann, für den ich die einzige Chance bin, zu überleben.“ Bereits zehn Monate später wird er von der Stiftung kontaktiert und gefragt, ob er bereit sei, für seinen genetischen Zwilling Stammzellen zu spenden. Er sagt sofort ja.

Zu dieser Zeit ist Isolde H. Patientin in der Uniklinik Freiburg. Ihre Diagnose: Leukämie. Der Blutkrebs ist aggressiv. Damit sie überleben kann, muss ein Stammzellspender mit den gleichen genetischen Gewebemerkmalen gefunden werden. Diese sogenannten HLA-Merkmale kommen jedoch in einer unendlichen Vielfalt vor – einen genetischen Zwilling zu finden ist manchmal unwahrscheinlicher als ein Lottogewinn. Als sie nach vielen Wochen für die Weihnachtsfeiertage nach Hause darf, kommt ihr behandelnder Arzt ins Zimmer: „Ich habe ein Geschenk für Sie! Wir haben einen passenden Spender gefunden.“

Isolde H. mit ihrem Lebensretter Phillip S. bei ihrem ersten Aufeinandertreffen.

Kurze Zeit später beginnen für beide die Vorbereitungen auf die Stammzelltransplantation. Phillip S. bekommt einen ausführlichen Gesundheitscheck und muss sich fünf Tage lang Spritzen mit einem Botenstoff verabreichen, um die Produktion der Stammzellen anzuregen. Dieser sorgt auch dafür, dass diese vom Knochenmark in den Blutkreislauf gelangen. „Das hat sich komisch angefühlt, ein wenig wie eine beginnende Grippe. Es war etwas anstrengend, aber nicht belastend“, berichtet er. Isolde H. bekommt zur gleichen Zeit eine Chemotherapie. Die Behandlung soll ihr Immunsystem schwächen, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern und Platz für die neuen Stammzellen zu schaffen: „Das war eine schlimme Zeit. Ich war manchmal gar nicht richtig bei mir.“

Für die Stammzellentnahme wird Phillip S. von der Bundeswehr in die Uniklinik Kiel gefahren – und dort herzlich empfangen: „Das Personal hat sich total gefreut, dass ich da bin. Und ich habe mich gewundert und gedacht, das ist doch Alltag für die.“ Nach nur zwei Stunden ist die sogenannte Apherese beendet. „Das war so ähnlich wie Blut spenden. Nur dass ich statt einem Schlauch in einem Arm jeweils einen Schlauch in beiden Armen hatte.“ Bei dem Verfahren wird das Blut durch Filtration in seine Bestandteile getrennt und die Stammzellen gesammelt, während die restlichen Blutbestandteile zurückgeführt werden. „Währenddessen hat mir ein Pfleger berichtet, dass es Menschen gibt, die abspringen. Die, obwohl sie sich registriert haben, nicht spenden wollen. Das ist für mich unbegreiflich. Wie kann man abspringen, wenn man doch die einzige Option für jemanden ist, damit dieser überleben kann?“ Zu diesem Zeitpunkt weiß er nicht, für wen seine Stammzellen bestimmt sind.

Auch Isolde H. kennt ihren Stammzellspender nicht. Die Transplantation erlebt sie als eher unspektakulär: „Das war einfach nur ein weiterer Infusionsbeutel, den ich bekommen habe. Es ging mir zu dieser Zeit unglaublich schlecht.“ Die nächsten Wochen sind für sie wie eine Berg- und Talfahrt. „Mal ging es aufwärts und dann gab es wieder einen Rückschlag. Doch irgendwann ging es dann nur noch bergauf.“ Sie kann aufatmen, die Leukämie ist besiegt.

Zwei Jahre dürfen Spender und Empfänger in Deutschland keinen direkten Kontakt haben oder sich treffen. Als diese Sperrfrist zu Ende ist, schreibt Isolde H. einen Brief an Phillip S. – den dieser auch heute noch sehr beeindruckt: „Als erstes ist mir diese unglaublich schöne Handschrift aufgefallen. Und vom Inhalt war ich tief bewegt. Das bin ich heute noch, wenn ich ihn lese.“ Weitere zwei Jahre vergehen, in denen sich beide aufgrund der Corona-Pandemie nicht treffen können. In dieser Zeit etablieren sie eine enge Brieffreundschaft – auf Papier und auch per Mail. „Wir telefonieren eher selten. Das Handy ist Isoldes natürlicher Feind“, berichtet Phillip S. und lacht.

Ende vergangenen Jahres ist es dann endlich so weit: Isolde H. reist vom Schwarzwald nach Norddeutschland, begleitet von ihrer Nichte. In Lübeck soll das erste persönliche Treffen der beiden stattfinden. „Das war sehr emotional und bewegend“, erinnert sich der heute 43-jährige Phillip S. Für beide ist dieses Treffen das berühmte Tüpfelchen auf dem i. Denn in der vergangenen Zeit hat sich eine tiefe Freundschaft entwickelt. Für die 75-jährige Isolde H. ist Phillip S. „mein kleiner großer Riese. Was er getan hat, ist einfach riesengroß. Ohne ihn wäre ich nicht mehr hier. Und darüber hinaus bereichert er mit seinen Briefen und Nachrichten meinen Alltag.“ Und Phillip S. betont: „Sie ist zu einem festen Teil meines Lebens geworden.“

Beiden ist es wichtig, auch andere Menschen zu überzeugen, sich als potenzielle Stammzellspender zu registrieren.

Wer diesem Aufruf folgen möchte, kann das ganz einfach unsere Online-Typisierung nutzen. Antworten auf die häufigsten Fragen findet man in unseren FAQs.


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