03. Februar 2019

Knochenmarkspende knüpft unsichtbares Band

Wenn Timo Sandau und Akhmed Ozov neben einander stehen, fällt der Größenunterschied zuerst ins Auge. Auch sonst erkennt man keine Gemeinsamkeit. Bei ihrem ersten Treffen in Hannover sagen der 28-Jährige aus Barbis (Kreis Göttingen) und der 20-Jährige aus Naltschik (Nordkaukasus, Russland) trotzdem: „Wir sind Brüder!“ Warum? Weil Timo Sandau Knochenmark gespendet und dem leukämiekranken Akhmed Ozov das Leben gerettet hat. Anlässlich des Weltkrebstages am 4. Februar, möchten beide mehr Menschen motivieren, sich als potenzielle Lebensretter für Leukämiepatienten zur Verfügung zu stellen.

Knochenmarkspende 2015

Wie zwei gute Kumpel sitzen Timo Sandau und Akhmed Ozov in einem Lokal am Maschseeufer, unterhalten sich vertraut, scherzen, lachen. Aber sie sind keine gewöhnlichen Freunde: Vor drei Jahren kämpfte Akhmed, damals 17 Jahre alt, in einer Moskauer Klinik gegen Leukämie. Chemo und Bestrahlung halfen ihm nicht dabei, gesund zu werden. Mit der Hilfe von Timo Sandau, der 2015 Knochenmark für ihn spendete, konnte er überleben. „Ich kann es noch nicht richtig fassen, dass ich Akhmed heute kennenlernen kann. Ich freue mich, dass ich ihm helfen konnte“, erzählt der Elektriker und grinst weiter – fast ohne Pause seitdem er Akhmed kennengelernt hat.

11 000 Mal im Jahr erkrankt ein Mensch in Deutschland an Leukämie. Helfen Chemo und Bestrahlung nicht, ist die Transplantation gesunder Stammzellen von einem fremden Spender die letzte Chance auf Weiterleben. Seit mehr als 30 Jahren wirbt die Stefan-Morsch-Stiftung, Deutschlands erste Stammzellspenderdatei aus Birkenfeld/Nahe, dafür, dass sich junge Menschen als Spender typisieren lassen. 2014 war einer von ihnen Timo Sandau. Er erinnert sich noch genau daran, als sich 2015 eine Mitarbeiterin der Datei bei ihm meldete, weil er als Spender in Frage kommt. Akhmed war zu der Zeit seit zwei Jahren an Blutkrebs erkrankt.

Kampf gegen Leukämie gewonnen

Akhmed ist zum ersten Mal in Deutschland. Sofia Strinkevich begleitet und dolmetscht für den nur russischsprechenden Akhmed. Sofia arbeitet bei der Moskauer Stiftung „Podari Zhizn“, die Hilfe für krebskranke Kinder und junge Erwachsene leistet. Timo und Akhmed verstehen sich auch ohne ihre Hilfe – über einen Online-Übersetzungsdienst. Immer wieder kichern und lachen die beiden über ihre Handys gebeugten Männer. Sie vergleichen Fotos ihrer Heimat und Familie, zeigen sich Videos vom Herumalbern mit Freunden, machen zahllose Erinnerungsfotos, auf denen sie beide strahlend – mit vor Lachen verengten Augen – in die Kamera schauen. Für die Videobotschaft an Akhmeds Mutter winken beide fröhlich in die Kamera – „Familie ist mein ein und alles“, erzählt Akhmed. Spricht der 20-Jährige von der Zeit, als er und seine Familie um sein Überleben bangten, bekommt man den Eindruck, das würde schon lange hinter ihm liegen: spontan und präzise antwortet er, ohne seine gute Laune zu verlieren. Er erzählt, dass ihn seine Freunde wegen seines Nachnamens wie in dem Märchen „Oz, der mächtige Zauberer“ nennen, weil er seine Krankheit besiegt und seinen Optimismus behalten hat. „So bin ich halt“, erklärt er und lächelt weiter sein sanftes, zerbrechlich wirkendes Lächeln. Während der Transplantation, als der mit roter Flüssigkeit gefüllte Beutel wie eine gewöhnliche Infusion an dem Metallständer hing und die Stammzellen durch einen Schlauch in seinen Körper tropften, wusste Akhmed nicht, wer für ihn gespendet hat. Drei Jahre später wollte er endlich seinen „Superman“, wie er Timo lächelnd beschreibt, treffen und hat sich an „Podari Zhizn“ gewandt, die ihn während seiner Erkrankung unterstützte.

Nach Blutkrebs: Akhmed hat Zukunftspläne

Was Akhmed sich für seine Zukunft wünscht, fragt einer in der Runde. „Er möchte seine Ausbildung zum Zahntechniker beenden, seinem neuen Hobby, dem Zeichnen, nachgehen, das Land der Wikinger – Norwegen – bereisen und mit 22 Jahren heiraten“, übersetzt Strinkevich. „Seine Familie ist, wie viele im Nordkaukasus, muslimisch. In seiner Gegend heiratet man so jung“, erklärt sie.

Dass Familie Sandau Akhmed und seine Familie in Naltschik irgendwann besucht, haben sie sich bereits versprochen. Eine Sache möchte Timo Sandau aber noch klarmachen. Er findet es wichtig, dass man sich für Leukämie- und Tumorkranke engagiert. „Wer kann, sollte sich typisieren lassen. Man sollte sich nur mal vor Augen führen, dass man selbst auch daran erkranken könnte. Mit Knochenmark- und Stammzellspende kann man Leben retten.“ (az)

Eine Typisierung hat nachhaltige Wirkung

Die Stefan-Morsch-Stifung erklärt: „Diese Geschichte zeigt, dass ein Typisierungsaufruf immer nachhaltige Wirkung hat. Wer sich dort registriert hat oder vielleicht jetzt noch online (www.stefan-morsch-stiftung.de) als Stammzellspender in die Datei aufnehmen lässt, kann schon in wenigen Wochen, vielleicht aber auch erst in einem oder in zwanzig Jahren, einem Menschen die Hoffnung auf Leben geben. Ein größeres Geschenk kann man niemandem machen.“

Jeder Euro hilft Leben retten

Die Stefan‐Morsch‐Stiftung ist eine gemeinnützige Stiftung. Mit Geldspenden werden die Blutanalysen und die Registrierung (Typisierungen) neuer potenzieller Spender finanziert. Zudem unterstützt die Stiftung Patienten und deren Angehörige, wenn Sie durch die Krankheit in finanzielle Notlagen geraten sind. Weiterhin wurden mit dem Knowhow und der finanziellen Hilfe der Stiftung verschiedene Transplantationskliniken zunächst in Idar‐Oberstein, dann in Berlin (1999) und Flensburg (2011) im Aufbau gefördert. Immer wieder hat die Organisation auch verschiedenste Forschungsvorhaben unterstützt.

Spendenkonten:

Kreissparkasse Birkenfeld: IBAN: DE76 5625 0030 0000 2222 24 SWIFT‐BIC: BILADE55XXX

Weltkrebstag: Der Weltkrebstag findet jährlich am 4. Februar statt und hat zum Ziel, die Vorbeugung, Erforschung und Behandlung von Krebserkrankungen ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Ausgerufen wurde der Aktionstag 2007 von der Welt-Krebsorganisation UICC. Am Weltkrebstag geht es Gesundheitsorganisationen, Unternehmen sowie öffentlichen Institutionen in erster Linie um die Aufklärung und Beseitigung von Halbwissen. Nach Angaben der UICC erkranken weltweit jährlich über 12 Millionen Menschen an Krebs und etwa 8 Millionen sterben an den Folgen. In Deutschland erkranken etwa 2000 Kinder im Jahr an Krebs, Leukämie zählt hierbei zu den häufigsten Krebsarten.

Der Schwerpunkt bei der Bekämpfung von Wissenslücken und Fehlinformationen liegt am Weltkrebstag auf folgenden vier Mythen: Krebs ist ein Thema, über das nicht geredet werden muss; es gibt keine Warnzeichen, an denen eine Krebserkennung frühzeitig zu erkennen ist; gegen Krebs kann nichts unternommen werden; bei einer Krebserkrankung gibt es keinen Anspruch auf Hilfe. Diese und andere Fehlinformationen versuchen die Helfer am Weltkrebstag durch Aufklärung zu berichtigen, denn jeder Mensch ist während seines Lebens direkt oder indirekt von Krebs betroffen.

Werde
Lebens-
retter:in

Jetzt registrieren Slogan