Hoffen – Helfen – Heilen

Irgendwo gibt es einen Mann, eine Frau oder ein Kind, das an Leukämie erkrankt ist. Christian Spindler aus Bamberg kennt den Patienten nicht. Der 35-Jährige weiß nur: Dieser Patient hat die gleichen genetischen Merkmale wie ich und er oder sie braucht meine Hilfe, um eine Chance im Kampf gegen den Blutkrebs zu haben. Deshalb hat sich der Lackierer bereit erklärt, dem Leukämiekranken zu helfen – mit einer Stammzellspende.
Die Stefan-Morsch-Stiftung ist die älteste Stammzellspenderdatei Deutschlands. Sie leistet seit fast 30 Jahren Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke. Hauptziel der Stiftung ist es, Menschen zu werben, sich als Stammzellspender zu registrieren. Beinahe täglich sind Teams der Stiftung in ganz Deutschland unterwegs, um junge Menschen als Stammzellspender zu gewinnen. Vor fünf Jahren war ein solches Team in Bamberg. „Hilfe für Tobias“ hieß damals der Aufruf. Damals haben sich Hunderte Menschen als potenzielle Lebensretter registrieren lassen. Spindler war einer von ihnen: „Es ging um einen leukämiekranken Jungen. Ich wollte ihm helfen und ließ mich deswegen typisieren.“

Eine Sprecherin der Stiftung erklärt: „Als Typisierung bezeichnet man die eigentlichen Laborarbeiten, die für eine Aufnahme in die Stammzellspenderdatei notwendig sind. Aus einer Blutprobe – es genügt ein Fingerhut voll Blut – werden die für eine Transplantation relevanten Gewebemerkmale (HLA-Werte) im Labor bestimmt. Das gleiche funktioniert auch mit einem Abstrich der Mundschleimhaut.“ Damit hatte der 35-Jährige den ersten Schritt auf dem Weg zum Lebensretter getan.

Leukämie ist nur eine der bösartigen Erkrankungen, die eine Übertragung gesunder Blutstammzellen erfordern können. Mit der Transplantation von Stammzellen bekommt der Patient ein neues blutbildendes System – seine einzige Chance auf Leben, wenn Chemotherapie oder Bestrahlungen nicht geholfen haben. Eine solche Transplantation ist aber nur möglich, wenn es Menschen wie Christian Spindler gibt, die sich typisieren lassen – sprich: als Stammzellspender einer Spenderdatei erfasst sind. Um Stammzellen transplantieren zu können, müssen die Gewebemerkmale von Spender und Patient übereinstimmen. So sind in den Knochenmark- und Stammzellspenderdateien wie der Stefan-Morsch-Stiftung zwar weltweit über 20 Millionen Menschen registriert – trotzdem ist es immer noch ein Glücksfall, wenn sich für einen Patienten ein passender Spender findet.

Christian Spindler ist so ein Glücksfall. Als Industrielackierer bei der Münch Beschichtungen GmbH & Co KG in Rattelsdorf versiegelt er alles, was aus Metall ist und zur Auto- und Möbelherstellung gebraucht wird. Privat interessiert er sich vor allem für Filme. Zuhause hat er eine große Auswahl an DVDs: Mafia-, Science Fiction- und Comedy-Filme und Serien. „Es sind ungefähr 500 DVDs“, erzählt Spindler.
Im Januar 2014 meldet sich die Stefan-Morsch-Stiftung bei ihm: Er kommt als Spender für einen Leukämiepatienten Frage, ob er bereit wäre, zu helfen. „Ich war ein bisschen stolz, dass ich ausgewählt wurde“, gibt er lächelnd zu. Knapp zwei Wochen später war klar, dass Spindler der optimale Spender ist: „Da gab es für mich keine Frage. Ich hab einfach gedacht: Ich will das jetzt machen.“ Egal ob Frau, Eltern oder Schwiegereltern, die ganze Familie ist begeistert, dass er helfen kann. Auch seine Vorgesetzten hielten ihm den Rücken frei: „Mein Chef fand das klasse. Aber da hätte ich mir auch keine Steine in den Weg legen lassen“, sagt Spindler.

Bevor Christian Spindler Stammzellen spenden darf, wird er umfassend aufgeklärt und gründlich untersucht. Diese Voruntersuchungen dienen dazu herauszufinden, ob er wirklich der optimale Spender ist. Gleichzeitig soll ausgeschlossen werden, dass der Spender ein gesundheitliches Risiko eingeht. Die Mitarbeiter der Stiftung beraten und begleiten den Spender während dieser ganzen Vorbereitungsphase. Jegliche Kosten für die Untersuchungen, die Versicherung sowie An- und Abreise zum Entnahmeort werden übernommen. „Ich fühlte mich sehr kompetent betreut und alle Mitarbeiter der Stiftung waren sehr nett“, erzählt er.

Dann beginnt die entscheidende Phase vor der Transplantation: Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark. Um sie zu übertragen, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Plasmaspende oder Dialyse. Dazu wird dem Spender einige Tage lang ein körpereigener Botenstoff verabreicht, der die Stammzellen aus dem Knochenmark in das Blut übergehen lässt. In einer Entnahmestation werden dann die Stammzellen aus dem Blut herausgefiltert bzw. zentrifugiert. Apherese heißt dieses Verfahren, das heute am häufigsten angewandt wird.

Bei der klassischen Methode – der Knochenmarkspende – entnehmen die Mediziner Knochenmark aus dem Beckenknochen des Spenders – niemals aus dem Rückenmark. Dieser Eingriff dauert zirka eine Stunde. Weder der Spender noch der Patient erfahren zu diesem Zeitpunkt, wer der andere ist. Christian Spindler und sein Empfänger bleiben in jedem Fall bis zum Ablauf von zwei Jahren anonym. Erst danach besteht die Möglichkeit, je nach Gesetzeslage des Landes, in dem der Patient lebt, dass Spender und Patient einander kennenlernen können.

Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg: Parallel zur Vorbereitung von Christian Spindler wird in der behandelnden Transplantationsklinik der Patient vorbereitet. Das bedeutet: Sein Immunsystem wird stark unterdrückt oder sogar ausgelöscht – durch Bestrahlung oder/und Chemotherapie. Wenn er sich jetzt mit einem Virus infiziert oder es aus irgendeinem Grund mit der Stammzellspende nicht klappt, ist sein Leben massiv gefährdet. Emil Morsch, Vorstandsvorsitzender der Stefan-Morsch-Stiftung: „Eine Transplantation ist immer eine letzte Chance. Diese Chance hat er nur durch Christian Spindler“.

Nach der Apherese ist er nach wie vor überzeugt: „Ich würde jederzeit wieder spenden. Das Spritzen vor der Entnahme und das lange Liegen während der Spende waren unangenehm. Aber das Wichtigste ist, dass der Patient weiterleben kann.“

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