Hoffen – Helfen – Heilen

Der junge Oberfeldwebel eilt geschäftig über das Gelände der General-Delius-Kaserne in Mayen. Für das Gespräch über die „gute Sache“ nimmt er sich im Laufen durch frische Eifeler Luft aber gerne Zeit. Schließlich gehören für Eric Christen aus Leutesdorf (Kreis Neuwied) Informationen zum täglichen Geschäft: In Mayen ist das Zentrum Operative Kommunikation der Bundeswehr mit rund 900 Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Beschäftigte zuhause. Die „gute Sache“ – das ist dieses Mal aber nicht militär-strategischer Natur. Es ist die Stammzellspende des 27-Jährigen bei der Stefan-Morsch-Stiftung in Birkenfeld. Und es bedeutet eine Lebenschance für einen Familienvater in Italien.
„Etwas überrascht“ sei er schon gewesen, wie viele seiner Kameraden ebenfalls bereits gespendet hatten, erzählt Christen. Erst als sein eigener Termin näher gerückt sei, habe
sich in den Gesprächen in der Truppe gezeigt: Diese Hilfsbereitschaft ist fraglos etwas Besonderes für einen an Leukämie erkrankten Menschen, für den Soldaten ist es eine selbstverständliche Hilfe. So sieht es auch Eric Christen.

Bei einer Blutspendeaktion in Idar-Oberstein 2010 sprach ihn die Stefan-Morsch-Stiftung erstmals an: Sich typisieren und als Stammzellspender registrieren lassen – ganz klar eine „gute Sache“. Allein in Deutschland erkranken jedes Jahr 11 000 Menschen an Leukämie. Jeder zweite von ihnen ist ein Kind oder Jugendlicher. Sie alle hoffen auf einen Spender.
Nach fünf Jahren, im Mai 2015, dann flattert der Brief daheim in Leutesdorf in den Briefkasten. Der junge Mann kommt infrage – jetzt. „Super!“, denkt er. Nachdem sich die Überraschung gelegt hat, bleibt die große Hoffnung, dass „ich wirklich helfen kann“. Ein erneuter Bluttest zeigt, dass der Soldat tatsächlich genetischer Zwilling eines – für ihn anonymen – Patienten ist.
Erics neue Freundin unterstützt die „gute Sache“ und beide unterziehen sich nach der Voruntersuchung einem Infektionstest – sicher ist sicher. Es müssen alle Risikofaktoren ausgeschlossen werden, so die Stefan-Morsch-Stiftung. In diesem Fall gibt es rasch grünes Licht. Der Marschbefehl aus Birkenfeld gilt dann aber zunächst nicht dem Oberfeldwebel, sondern seinen Stammzellen.
Mittels eines körpereigenen Botenstoffes werden im Knochenmark vermehrt Stammzellen gebildet, die ins Blut übertreten. Eric Christen spritzt sich das Medikament zweimal täglich selbst unter die Haut – streng nach einem festgelegten Behandlungsplan. „Beim ersten Mal war das Spritzen noch komisch, danach aber kein Ding mehr“, erinnert er sich. „Etwas Rückenschmerzen“ habe er danach gehabt, so Christen. Auf grippeähnliche Symptome war er vorbereitet – in ausführlichen Gesprächen im Vorfeld haben die Mediziner von Deutschlands ältester Stammzellspenderdatei ihren Kandidaten bestens informiert und eingestimmt auf das Verfahren.
Bei dem Oberfeldwebel wird die inzwischen gebräuchlichste Methode angewandt: die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Plasmaspende oder Dialyse. Vorteil ist, dass hierbei keine Operation oder Narkose erforderlich sind. „Ich bin am 19. August 2015 in Birkenfeld in der Entnahmestation der Stiftung an die Maschine gehängt worden“, erzählt der begeisterte Motorradfahrer und Bassist. Sein Blut wurde in einem ständigen Kreislauf aus einer Armvene durch einen Zellseparator geleitet, die benötigten Stammzellen wurden abgesammelt und die restlichen Zellen wurden wieder in den Blutkreislauf zurückgeführt. Diese Blutwäsche bezeichnen die Fachleute als Apherese und sie dauert etwa vier bis fünf Stunden. Der Leutesdorfer denkt währenddessen an seinen großen Wunsch, endlich wieder Zeit für eine eigene Band zu haben, Gitarre zu spielen und gemeinsam aufzutreten.
„Nach der Apherese ging es mir gleich wieder gut“, so Christen. Er bekommt aber dennoch eine Krankschreibung für die folgenden zwei Tage. Da hat sein Dienstherr eine Schießübung angesetzt, die der Soldat besser noch nicht mitmacht. Von der fürsorglichen und professionellen Betreuung durch die Stiftung ist er begeistert. Jegliche Kosten für die Untersuchungen, die Versicherung sowie An- und Abreise zum Entnahmeort werden übernommen. Die Bundeswehr hat zudem eine förmliche Anerkennung in Aussicht gestellt.
Dies alles ist dem jungen Mann allerdings nicht so wichtig wie die Information darüber, dass sich der Gesundheitszustand des Familienvaters aus Italien mit der Stammzellspende verbessert, dessen eigenes blutbildendes System sich wieder regenerieren kann. „Frühestens in einem halben Jahr“, weiß der 27-Jährige, „sind dazu verlässliche Angaben möglich“. Es ist zu spüren, dass es für Eric Christen eine gespannte Wartezeit voller Anteilnahme sein wird. Spender und Empfänger bleiben in jedem Fall bis zum Ablauf von zwei Jahren anonym. Erst danach besteht die Möglichkeit, je nach Gesetzeslage des Landes, in dem der Patient lebt, dass Spender und Patient einander kennenlernen können.
Die Stefan-Morsch-Stiftung verfügt über langjährige Erfahrung: Seit fast 30 Jahren leistet sie gemeinnützige Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke. Hauptziel ist es, Menschen über die Chancen der Stammzellspende zu informieren. Täglich sind daher in der ganzen Republik Teams unterwegs, um junge Menschen zu typisieren. In den Knochenmark- und Stammzellspenderdateien wie die der Stefan-Morsch-Stiftung sind derzeit weltweit mehr als 25 Millionen Menschen registriert. Trotzdem ist es für jeden Patienten ein Glücksfall, wenn sich ein passender Spender findet. (aw)

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