Hoffen – Helfen – Heilen

Der 26-Jährige Markus Kaufmann aus Leichlingen (Rheinisch-Bergischer Kreis) steckt mitten in den Klausuren, als ihm etwas dazwischen kommt. Eine Prüfung muss warten, denn Kaufmann will ein Leben retten. Vor fünf Jahren registrierte sich der BWL-Student als potenzieller Stammzellspende bei der Stefan-Morsch-Stiftung. Jetzt wird er gebraucht. Ein Mann in seinem Alter aus Deutschland hat Leukämie. Die Transplantation von Stammzellen eines fremden Spenders ist sein letzte Chance – Markus Kaufmann sein Retter, weil er die gleichen genetischen Merkmale hat, wie der ihm völlig unbekannte Patient.
„Ich bin gerade in einer Findungsphase“, erzählt der Markus Kaufmann, der an der Fachhochschule in Remagen studiert. „Ein Sportstudium habe ich schon hinter mir. Ich schwanke noch, ob ich nach meinem Zweitstudium bei Sport bleibe oder in die freie Wirtschaft gehe.“ Sport hat er an der Sporthochschule in Köln studiert. Dort ließ er sich auch typisieren, als die Stefan-Morsch-Stiftung 2009 für eine leukämiekranke Kommilitonin zur Typisierung aufrief. Die Entscheidung zur Registrierung fiel Kaufmann ganz leicht: „Zu wenig Leute sind typisiert, obwohl es ganz einfach ist, einem Leukämiepatienten zu helfen.“

11 000 Mal stellen Ärzte die Diagnose Leukämie – allein in Deutschland. Wenn Chemotherapie – und/oder Bestrahlung keine Heilung bringen, ist die Transplantation von fremden, gesunden Stammzellen der einzige Ausweg, um vielleicht wieder gesund zu werden. Die Stammzellen können von einem passenden Spender gespendet werden. Um den genetisch passenden Spender zu finden, gibt es Stammzellspenderdateien wie die der Stefan-Morsch-Stiftung im rheinland-pfälzischen Birkenfeld. Seit fast 30 Jahren leistet die Stefan-Morsch-Stiftung Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke und führt die erste Stammzellspenderdatei Deutschlands. Nahezu täglich sind Mitarbeiter der Stiftung bundesweit unterwegs, um über das Thema Stammzellspende aufzuklären und junge Menschen als mögliche Lebensretter zu registrieren – Menschen wie Markus Kaufmann.

Die Registrierung als Stammzellspender war für den Ausdauersportler denkbar einfach: Zuerst wurde er genau über das Thema Stammzellspende aufgeklärt, füllte einen Fragebogen zu seinem Gesundheitszustand aus und unterschrieb die Einverständniserklärung. Um seine Gewebemerkmale, die HLA-Werte, zu untersuchen, wurde ihm eine kleine Blutprobe entnommen, gerade so viel, wie in einen Fingerhut passt. Die Blutprobe wird auf die Gewebemerkmale, die
HLA-Werte, hin untersucht. Die Daten werden gespeichert und anonymisiert an das deutsche Zentralregister der ZKRD für weltweite Suchanfragen weitergegeben. Um als Spender für einen Leukämiepatienten in Frage zu kommen, sollten zehn der HLA-Werte zwischen beiden übereinstimmen.

Im Frühjahr 2013 meldete sich die Stefan-Morsch-Stiftung bei Kaufmann, mit der Nachricht, dass seine HLA-Werte womöglich mit denen eines Patienten übereinstimmen. „Ich habe keine Sekunde gezögert und war davon voll überzeugt“, sagt er selbstsicher, denn als regelmäßiger Plasmaspender weiß er, was in etwa auf ihn zukommt. Doch bevor es soweit ist, folgt eine Reihe von Untersuchungen und Gesprächen. Eigentlich sollte die Entnahme im September 2013 stattfinden, doch der Termin musste verlegt werden – mitten in die Klausuren von Markus Kaufmann. Für ihn ist das kein Grund für Nervosität, sondern ein klarer Fall: „Das war eine leichte Entscheidung, die Klausur zu verschieben, um jemandem das Leben zu retten.“

Seine Familie verfolgt die einzelnen Schritte interessiert, denn sie sind stolz, dass Markus Kaufmann helfen kann. Sein Vater begleitet ihn nach Birkenfeld zur Entnahmestation der Stefan-Morsch-Stiftung. Um die Stammzellen zu spenden, gibt es heute zwei Varianten: Bei der klassischen Methode der Knochenmarkspende entnehmen Mediziner etwa 0,8 bis 1,5 Liter Knochenmark-Blut-Gemisch aus dem Beckenknochen des Spenders – niemals aus dem Rückenmark. Dieser Eingriff dauert zirka eine Stunde. Kaufmann entschied sich für die zweite Methode: Die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Plasmaspende. Der Fachbegriff dazu lautet „Apherese“. Dazu wird dem Spender vorher ein körpereigener Botenstoff verabreicht, der die Stammzellen aus dem Knochenmark in das Blut übergehen lässt.

Über den Patienten weiß der Student zunächst nichts, trotzdem beschäftigt er ihn: „Ich hab oft an ihn gedacht und daran, dass meine Stammzellen ihm hoffentlich das Leben retten.“ Erst am Entnahmetag in Birkenfeld erfährt er, dass der Patient Mitte 20 ist, männlich und in Deutschland lebt: „Ich hoffe, dass ich ihm eine Chance geben kann, er ist so alt wie ich.“

Das lange Liegen während der Apherese ist anstrengend für Markus Kaufmann, der sonst Halbmarathons und Crossläufe meistert: „Es ist nicht unbedingt unangenehm, aber ich bin müde und schlapp.“ Er hofft, dass sich mehr Menschen als Stammzellspender typisieren lassen: „Ich würde es jederzeit nochmal tun! Ich werde im Bekanntenkreis davon erzählen, mehr sollten das machen.“

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