30. September 2016

Rumalbern mit dem Lebensretter

Was sagt man zu einem Lebensretter, wenn man ihm das erst Mal begegnet? Monika und Adam Cieslak haben ganz viel aufgeschrieben, damit sie nichts vergessen. Aber als der Moment da ist, gibt es nur ein Wort: „Danke“. Ohne Klaus Petlalski hätte ihre Tochter Alicja die Leukämie nicht überlebt: 2013 spendete der Dortmunder bei der Stefan-Morsch-Stiftung Stammzellen. Wer die Spende bekam, wusste er nicht. Er wusste nur, dass er helfen kann, ein Leben zu retten. Der fremde Patient, das weiß er heute, war die heute 12-jährige Alicja aus Polen. Vor kurzem sind sie sich zum ersten Mal gegenüber getreten.
Vor drei Jahren spendete Klaus Petlalski in Birkenfeld bei der Stefan-Morsch-Stiftung Stammzellen. Die Zellen sollten einem Leukämiepatienten irgendwo auf der Welt Hoffnung auf Leben geben. Jetzt trafen er und seine Frau die 12-jährige Alicja Cieslak aus dem polnischen Stettin, die mit Petlalskis Hilfe den Blutkrebs besiegen konnte.

Sie spielen Schnick-Schnack-Schnuck, schneiden Grimassen und albern herum. Für den 49-Jährigen ist in dem Treffen mit „Ala“ und ihrer Familie „ein Traum wahr geworden.“ „Die Chemie hat sofort gepasst“, erzählt Klaus Petlalski.

Wenn Ala lächelt, werden ihre mandelförmigen Augen zu lustigen Bögen. Dass sie um ihre Leben kämpfen musste, sieht man ihr dann nicht an. „Sie kann sich an wenig aus dieser Zeit erinnern. Sie stand unter Morphium und bekam wenig davon mit“, erklärt ihre Mutter Monika.

„Ich hatte einfach Angst, es würde nicht klappen.“

„Dziekuje“ – „Danke“ sagen sie und ihr Mann Adam immer wieder zu Klaus Petlalski: „Danke für das zweite Leben, dass du unserer Tochter geschenkt hast.“ Dem Dortmunder ist das ein bisschen unangenehm. Er sieht sich nicht als Lebensretter oder Held. „Weitaus bedeutender ist das, was die Familie geleistet hat. Sie mussten viel auf sich nehmen. Ich habe während der Stammzellspende rumgelegen. Mein Beitrag war ein kleiner Blutbeutel.“ Er freut sich, dass es dem damals schwer kranken Mädchen heute besser geht. „Aus Selbstschutz wollte ich alles, was den Patienten betrifft, von mir fern halten“, gesteht Petlalski. Dass er für ein Kind spendet, war für ihn damals ein Schock. „Ich hatte einfach Angst, es würde nicht klappen.“ Dann sieht er Ala an, die kein Deutsch versteht, stubbst sie und imitiert ihren gelangweilten Blick. Sie grinst und verzieht das sommersprossige Gesicht gespielt ärgerlich.

Die Cieslaks waren vor dem Treffen sehr aufgeregt. Seit Wochen haben sie nicht mehr richtig geschlafen. Die Mutter hat für Klaus Petlalski einen Brief geschrieben, den sie ihm bei dem Treffen in die Hände gedrückt hat. „Sie will Klaus so vieles sagen und hatte Angst, dass sie es dann nicht direkt kann. Deswegen hat sie alles aufgeschrieben“, übersetzt der Dolmetscher. In dem Brief beschreibt sie in Englisch, wie sie die Erkrankung erlebt haben: Wie Alicja plötzlich blass und häufig müde war, keinen Hunger und oft Nasenbluten hatte. An einem Tag nach der Schule konnte sie sich kaum auf den Beinen halten. Ihre Mutter trug sie ins Bett.

Im Herbst 2013 spendete Klaus Petlalski Stammzellen für einen fremden Leukämiepatienten. Foto: Stefan-Morsch-Stiftung

Im Herbst 2013 spendete Klaus Petlalski Stammzellen für einen fremden Leukämiepatienten. Foto: Stefan-Morsch-Stiftung

Der Albtraum: Diagnose Leukämie

Ein Bluttest brachte die Diagnose: Leukämie. Eine Woche später stand fest, dass die damals 8-Jährige die Krankheit ohne Stammzelltransplantation nicht überleben wird. Um immer an Alicjas Krankenbett sein zu können, zog die Familie vorübergehend von Stettin in die Nähe des Krankenhauses im rund 270 Kilometer entfernten Bromberg. Dort wurden Alicja die Stammzellen von ihrem genetischen Zwilling aus Dortmund transplantiert. Die Ärzte rechneten mit einer Erfolgschance von 40 Prozent. Immer wieder gab es Rückschläge, aber Alicja wurde in kleinen Schritten stärker und wollte wieder lachen, essen, spielen – einfach leben.

Klaus Petlalski und Monika Cieslak wirken wie vertraute Bekannte, als hätten sie schon oft nebeneinander gesessen. Sie wollen nach dem Treffen Kontakt halten. Beide haben Freunde, die sie bei der Verständigung unterstützen können. Alicjas Mutter spricht noch einmal mit dem Dolmetscher, denn eine Sache will sie deutlich machen: „Sie möchte, dass mehr Menschen motiviert werden, sich zu typisieren. Denn es kann für andere wie Ala die Chance bedeuten, weiterzuleben.“(az)

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