Hoffen – Helfen – Heilen

Der Brief einer völlig fremden Frau geht Birgit Germscheid seit Wochen nicht mehr aus dem Kopf. Die 51-jährige aus Kürten-Bechen im Rheinisch-Bergischen-Kreis hofft und bangt um das Leben dieser unbekannten Frau, die an Leukämie erkrankt ist. Was die beiden Frauen verbindet: Ein Teil ihres genetischen Codes ist identisch. Deshalb konnte Birgit Germscheid vor wenigen Monaten Stammzellen für die Frau spenden und ihr damit die Chance geben den Blutkrebs zu besiegen.
Vor 15 Jahren ließ sich Birgit Germscheid in Odenthal als potenzielle Stammzellspenderin bei der Stefan-Morsch-Stiftung registrieren. Sie folgte damals einem Typisierungsaufruf für eine Leukämiekranke, die wie sie Mutter von drei Kindern war. Jedes Jahr erkranken allein in Deutschland rund 11.000 Menschen an bösartigen Blutkrankheiten wie der Leukämie. Je nach Leukämieart variieren die Heilungsaussichten. Oftmals reicht die Behandlung mit einer Chemotherapie oder Bestrahlung nicht aus. Dann ist die Übertragung gesunder Blutstammzellen die einzige Hoffnung auf Leben. Eine solche Transplantation ist aber nur möglich, wenn sich ein passender Stammzell- bzw. Knochenmarkspender zur Verfügung stellt – ein Mensch wie Birgit Germscheid. Deshalb wirbt die Stefan-Morsch-Stiftung als älteste deutsche Stammzellspenderdatei für eine „Typisierung“ – eine Registrierung als potenzieller Lebensretter.

Für Birgit Germscheid, die als fachliche Leitung in einem Sanitätshaus in Köln angestellt ist, war die Registrierung ganz einfach: Sie ließ sich genau über das Thema Stammzellspende aufklären, füllte einen Fragebogen aus, unterschrieb eine Einverständniserklärung und ließ sich ein wenig Blut abnehmen – ein Fingerhut voll reicht aus, um sich typisieren zu lassen. Im hauseigenen Labor der Stiftung wurde ihre Blutprobe auf die Gewebemerkmale, die HLA-Werte, hin untersucht. Benötigt ein Patient eine Transplantation, werden seine HLA-Werte über ein weltweit vernetztes Suchsystem abgeglichen. Im Idealfall stimmen zehn von zehn dieser Werte überein.

Birgit Germscheid war gerade bei der Arbeit als sie von der Stefan-Morsch-Stiftung informiert wurde, dass sie möglicherweise die passende Spenderin für einen Leukämiepatienten ist. „Vor neun Jahren kam ich schon einmal als Spenderin in Frage, aber nach einer weiteren Blutuntersuchung war damals klar, dass ich nicht die optimale Spenderin war“, erinnert sich Germscheid. Diesmal war es anders. Kurze Zeit später erhielt sie die Nachricht, dass ihre HLA-Werte mit denen des Leukämiepatienten übereinstimmen. Sie zögerte nicht, denn sie möchte unbedingt helfen: „Da hängt ein Leben davon ab“, weiß sie und erzählt: „Mein Mann ist an Multipler Sklerose erkrankt. Ihm kann ich nicht helfen, wieder gesund zu werden. Aber hier kann ich etwas tun.“

Ihre erwachsenen Kinder und ihr Mann sind ebenfalls begeistert, dass Birgit Germscheid spenden darf. Auch für ihre Chefin ist klar, dass sie ihre Mitarbeiterin unterstützt. Mit der Transplantation von Stammzellen bekommt der Patient ein neues blutbildendes System. Diese Stammzellen befinden sich im Knochenmark. Um sie zu übertragen, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Entnahme von Knochenmark aus dem Beckenkamm – niemals aus dem Rückenmark. Die zweite Möglichkeit ist die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Dialyse. Dazu wird dem Spender vorher ein körpereigener Botenstoff verabreicht, der die Stammzellen aus dem Knochenmark in das Blut übergehen lässt. In einer Entnahmestation – wie bei der Stefan-Morsch-Stiftung in Birkenfeld – werden dann die Stammzellen herausgefiltert. Das nennt man Apherese. Über die Art der Spende entscheidet der Stammzellspender.

Birgit Germscheid, die in ihrer Freizeit gerne Tai-Chi und Handarbeiten macht, hat sich für die Apherese entschieden. Dass sie zwei Tage an das Apheresegerät musste, um die nötige Menge Stammzellen gewinnen zu können, machte ihr nichts aus. Das Spritzen des Botenstoffs im Vorhinein war für sie nicht ganz einfach: „Ich habe einen Horror vor Spritzen. Für mich war das ein Stück Angstbewältigung. Aber dieses Übel steht in keinem Verhältnis zu dem, was der Patient durchmachen muss.“ Die Apherese hat sie gut überstanden. Sie denkt viel an die Empfängerin, Mitte 40, wie sie während der Apherese erfährt.

Birgit Germscheid entschließt sich, ihrer Empfängerin einen Brief zu schreiben, den sie anonym über die Stefan-Morsch-Stiftung weiterleiten ließ. Aus Datenschutzgründen ist der direkte Kontakt zwischen Spender und Empfänger in Deutschland erst nach zwei Jahren erlaubt – wenn beide damit einverstanden sind. Vorher ist es aber möglich, sich Briefe zu schreiben – anonymisiert. Fünf Wochen nachdem Birgit Germscheid im Zentrum für Transfusionsmedizin in Ratingen-Breitscheid war um Stammzellen zu spenden, erhält sie einen Brief der Stefan-Morsch-Stiftung. Es ist ein weitergeleiteter Brief von der Leukämiepatientin. „Es geht ihr richtig gut und mit jedem Tag gewinnt sie mehr an Kraft. Ich freue mich so sehr über diese Nachricht.“

Birgit Germscheid hat ihr Möglichstes getan, um zu helfen. Nun hofft sie, dass für die Patientin weiterhin „alles gut läuft“.

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