Hoffen – Helfen – Heilen

Carina Brygier aus Dickschied (Rheingau-Taunus-Kreis) macht gern Nägel mit Köpfen: Egal ob im Tanzverein eine Trainerin für die Kindergruppe gesucht wird oder wenn es darum geht, Leukämiepatienten zu helfen. Vor fast einem Jahr riefen in Holzhausen Familie und Freunde der an Leukämie erkrankten kleinen Paloma zur Typisierung auf. Da ließ sich die 23-Jährige als mögliche Lebensretterin bei der Stefan-Morsch-Stiftung registrieren. Das Thema ließ ihr keine Ruhe. Vor knapp zwei Wochen organisierte sie eine Typisierungsaktion. Da wusste sie schon, dass sie für einen Patienten als Spenderin in Frage kommt. Jetzt konnte sie spenden.Die gebürtige Dickschiederin weiß: „Typisierung ist ein wichtiges Thema. Damit kann man Leben retten.“ Als eine Freundin den Typisierungsaufruf mit der Stefan-Morsch-Stiftung für Paloma startete, teilt Carina Brygier den Aufruf immer wieder bei Facebook, spricht Bekannte an, organisiert noch eine Blutabnehmerin für die Aktion und verbrachte den ganzen Tag dort, um als Helferin einzuspringen. Außerdem ließ sie sich eine kleine Blutprobe abnehmen, um sich bei der Stefan-Morsch-Stiftung zu registrieren. „Ich hatte vorher schon öfter davon gehört. Dann war die Gelegenheit direkt vor meiner Tür“, erzählt sie.
Jedes Jahr erkranken allein in Deutschland etwa 11 000 Menschen an bösartigen Blutkrankheiten wie etwa der Leukämie. Jeder zweite Patient ist ein Kind oder Jugendlicher. Je nach Leukämieart variieren die Heilungsaussichten. Oft reicht die Behandlung mit einer Chemotherapie oder Bestrahlung nicht aus. Dann ist die Übertragung gesunder Blutstammzellen die einzige Hoffnung auf Leben. Eine solche Transplantation ist aber nur möglich, wenn sich ein passender Stammzell- bzw. Knochenmarkspender zur Verfügung stellt, der die gleichen genetischen Merkmale hat, wie der Patient. Um über das Thema Stammzellspende zu informieren, sind täglich bundesweit Teams der Stefan-Morsch-Stiftung, Deutschlands ältester Stammzellspenderdatei, unterwegs. Es geht darum, Menschen zu sensibilisieren, sich als Stammzellspender registrieren zu lassen.
So wurden auch Carina Brygiers Gewebemerkmale analysiert und gespeichert und mit den Merkmalen von Leukämiepatienten weltweit verglichen.
Eigentlich wohnt Carina Brygier schon fast fünf Jahre nicht mehr in Dickschied, aber in dem kleinen Dorf mit rund 500 Einwohnern fühlt sie sich immer noch heimisch: „Mein Herz ist immer noch in Dickschied – ich bin Dickschiederin.“ Um schneller auf der Arbeit zu sein, zog die Bürokauffrau vor zwei Jahren nach Taunusstein. Von dort aus sind es nur zwanzig Minuten bis nach Wiesbaden-Erbenheim, zur Günther Bettendorf Gas Wasser Sanitär GmbH. Wenn es Probleme mit Wasseranschlüssen, Heizung oder Lüftungsarbeiten gibt, hört man als erstes ihre Stimme am Telefon. Jeden Tag koordiniert sie Kundentermine, schreibt Kostenvoranschläge und Rechnungen, teilt Mitarbeiter ein, bestellt Material. „Es gibt immer viel zu tun“, sagt Brygier.
Die 23-Jährige hat ein großes Hobby: „Tanzen! Ich tanzte schon, bevor ich krabbeln konnte. Zumindest fühlt es sich so an.“ Seit kurzem ist sie beim Sonnenberger Karneval-Verein Die Narhalla. Beim Namen der Gruppe presst sie die Lippen fest zusammen und lacht: „Wir heißen Turtles – ich hoffe, der Name wird dem, was wir können nicht gerecht.“ Mittlerweile trainiert sie auch die Kindertanzgruppe. Schwimmen geht sie auch gerne, aber meistens bleibt dafür keine Zeit. „Ich bin auch mal froh, wenn mal nichts ist und ich Zuhause entspannen kann. Das braucht man auch, bei einer Patchwork-Familie mit vier älteren Geschwistern. Da ist immer was los.“
Im Januar hat sie eine Nachricht der Stefan-Morsch-Stiftung mit der Bitte um dringenden Rückruf auf dem Anrufbeantworter. „Da ist mir erst mal das Herz in die Hose gerutscht. Ich dachte, es wäre was mit mir nicht in Ordnung“, erzählt sie lachend. Eine Mitarbeiterin der Stiftung erklärte ihr, dass ihre Gewebemerkmale zu denen eines Patienten passen und sie als Spenderin in Frage kommt. „Das hat mich erst mal aus der Bahn geworfen. Andere sind schon lange registriert und konnten immer noch nicht spenden. Und ich schon nach so kurzer Zeit. Das hat mich gefreut!“ Das sie als Spenderin in Frage kommt, gab ihr den Anstoß dazu, selbst eine Hilfsaktion für Leukämiekranke zu organisieren. Firmen aus der Umgebung spendeten schon vor der Aktion Geld, viele Menschen kamen, kauften Kuchen, Gulaschsuppe und Getränke für den guten Zweck und mehr als 50 ließen sich als Lebensretter registrieren. „Das war ziemlich stressig, die Vorbereitungen der Aktion und meiner Spende. Aber es hat sich gelohnt! Ich bekam ganz viel positive Rückmeldung.“ Dass hinter ihrer Spende ein Mensch steht, der nur durch ihre Hilfe Hoffnung haben kann, hat sie von Anfang an im Hinterkopf: Wer ist der Patient? Ein Kind? Ein Erwachsener? „Ich habe gehofft, dass der Patient es so lange schafft bis ich spende. Ich hatte Angst, dass ich irgendwas falsch mache und der Patient dann einen Nachteil hat.“
Bevor sie spenden darf, wird sie gründlich untersucht und über alle Schritte aufgeklärt. Diese Voruntersuchungen dienen dazu herauszufinden, ob sie wirklich die optimale Spenderin ist. Gleichzeitig soll ausgeschlossen werden, dass sie ein gesundheitliches Risiko eingeht. Die Mitarbeiter der Stiftung beraten und begleiten die Dickschiederin während dieser ganzen Vorbereitungsphase: „Mir wurde immer wieder gesagt, ich könne jederzeit anrufen, wenn ich auch nur das kleinste Bedenken habe. Man hatte das Gefühl, das ist wirklich ernst gemeint.“
Mit der Stammzelltransplantation bekommt der Patient ein neues blutbildendes System. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark. Um sie zu übertragen, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Plasmaspende oder Dialyse. Dazu wird dem Spender einige Tage lang ein körpereigener Botenstoff verabreicht, der die Stammzellen aus dem Knochenmark in das Blut übergehen lässt. In einer Entnahmestation werden dann die Stammzellen aus dem Blut herausgefiltert bzw. zentrifugiert. Apherese heißt dieses Verfahren, das heute am häufigsten angewandt wird. Bei der klassischen Methode – der Knochenmarkspende – punktieren die Ärzte den Beckenknochen des Spenders – niemals das Rückenmark. Dieser Eingriff dauert zirka eine Stunde.
Die 23-Jährige hat per Apherese gespendet. Dafür musste sie sich in den Tagen vor der Entnahme den Botenstoff spritzen: „Das war beim ersten Mal komisch. Ich bin ein kerngesunder Mensch und muss mich spritzen und dann geht es mir wegen den Nebenwirkungen schlechter als vorher.“ Häufig werden durch das Medikament grippeähnliche Symptome wie Kopf- und Gliederschmerzen ausgelöst. „Ich hatte leichte Schmerzen im Beckenbereich, im Nacken und Kopfschmerzen. Aber das war alles aushaltbar.“ Von der Hilfe für Leukämiekranke ist sie nach wie vor überzeugt: „Ich würde es wieder machen und kann es jedem empfehlen. So klein man sich auch auf der Welt fühlt, kann man damit doch so viel bewirken – ein Leben retten.“

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