Hoffen – Helfen – Heilen

„Wieviel Blut pumpt Ihr Mama ab?“ Diese Frage ihrer neunjährigen Tochter hat Karin Gehring aus Mainz in krakeliger Kinderschrift mit nach Birkenfeld zur Stefan-Morsch-Stiftung gebracht. Dort spendet die zweifache Mutter Stammzellen für einen ihr unbekannten Leukämiepatienten und gibt ihm oder ihr damit die Chance, den Blutkrebs zu besiegen: „Ich fühle mich nicht als Held. Ich finde es eine Selbstverständlichkeit zu helfen“, sagt die 41 Jährige. Eigentlich steckt die Event-Managerin mitten in den Vorbereitungen für ein Groß-Ereignis: Nicht beruflich, sondern privat. Ihre „Große“ geht schon bald zur Kommunion: Termine in der Kirche, Kuchen backen, Palm-Zweige binden, den Verwandtenbesuch organisieren … Mitten in diese Zeit kommt die Nachricht der Stefan-Morsch-Stiftung, dass ihre Gewebemerkmale mit denen eine Leukämiepatienten übereinstimmen. 2006 hat sie sich typisieren, das heißt, in die älteste Stammzellspenderdatei Deutschlands aufnehmen lassen. „Sind Sie noch bereit Stammzellen zu spenden?“, lautet die Frage, die die Spenderdatei der Mutter stellt. „Mich hat diese Frage irritiert. Wenn ich mich typisieren lasse, dann ist klar, dass ich das auch mache, wenn ich gebraucht werde.“
Jedes Jahr erkranken allein in Deutschland fast 11000 Menschen an Leukämie. Nicht immer können Chemotherapie und/oder Bestrahlung die Patienten heilen. Dann ist die Transplantation von Stammzellen die letzte Überlebenschance. Nur 30 Prozent der Patienten finden einen geeigneten Spender im eigenen Familienkreis. Für die übrigen beginnt die Suche nach einem Spender, der nahezu identische Gewebemerkmale hat – also eine Art genetischer Zwilling ist. Bei der großen Vielfalt der Gewebemerkmale in der Bevölkerung (theoretisch gibt es mehr als 50 Millionen Kombinationen) ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Merkmale bei zwei nicht verwandten Menschen übereinstimmen, jedoch nicht sehr groß. Obwohl derzeit weltweit mehr als 20 Millionen potenzielle Spender registriert sind, verläuft noch so manche Suche erfolglos.
Karin Gehring ist aber so ein Volltreffer für ihren genetischen Zwilling. Um die Stammzellen bei ihr und den anderen Stammzellspendern zu entnehmen, gibt es heute zwei Varianten: Bei der klassischen Methode der Knochenmark-Entnahme entnehmen Mediziner etwa 0,8 bis 1,5 Liter Knochenmark-Blut-Gemisch aus dem Beckenknochen des Spenders – niemals aus dem Rückenmark. Dieser Eingriff dauert zirka eine Stunde. Die zweite Methode ist die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Plasmaspende oder Dialyse. Dazu wird dem Spender vorher ein körpereigener Botenstoff verabreicht, der die Stammzellen aus dem Knochenmark in das Blut übergehen lässt. Dieser Botenstoff löst beim Spender im Vorfeld oft grippeähnliche Symptome – wie Kopf- und Gliederschmerzen aus. Diese verschwinden aber mit der Entnahme der Stammzellen.
Karin Gehring hat den Fragebogen ihrer Tochter in der Tasche und geht ihn gewissenhaft durch. Sie lacht: Meine Kinder können mittlerweile ganz genau erklären, wie eine Stammzellspende funktioniert. Auch Freunde und Bekannte haben sie in der Vorbereitungsphase positiv bestärkt. Karin Gehring ist bei ihrer Haltung geblieben: „Ich empfinde es nicht als Heldentum. Ich bin zwar Spritzenparanoiker. Deshalb hatte ich Sorge, dass ich umkippe. Aber schließlich gebe ich nur 300 Milliliter ab.“ – 300 Milliliter, die vielleicht ein Leben retten.

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