Hoffen – Helfen – Heilen

Ein kleiner Piek vor einem Jahr war Sebastian Müllers erster Schritt auf dem Weg zum Lebensretter. In der Falckenstein-Kaserne in Koblenz ließ sich der 26-Jährige aus Koblenz im Sommer 2013 als Stammzellspender bei der Stefan-Morsch-Stiftung registrieren. Jetzt hat der Offizier den zweiten entscheidenden Schritt getan: Er hat seinem an Leukämie erkrankten genetischen Zwilling, einem ihm völlig fremden Menschen, mit einer Stammzellspende die Chance gegeben, den Blutkrebs zu besiegen: „Ich hoffe, dass ich dem Patienten helfen und er überleben kann.“Die Stefan-Morsch-Stiftung ist die älteste Stammzellspenderdatei Deutschlands. Unter dem Leitmotiv “Hoffen – Helfen – Heilen“ bietet die Birkenfelder Stiftung seit fast 30 Jahren Hilfe für Leukämie- und Tumorkranke. Hauptziel der Stiftung ist es, Menschen zu werben, sich als Stammzellspender registrieren zu lassen. Beinahe täglich sind Teams der Stiftung in ganz Deutschland unterwegs, um junge Menschen als Stammzellspender zu gewinnen. So werden etwa zusammen mit dem Sanitätsdienst der Bundeswehr in verschiedenen Kasernen die Soldaten über diese Chancen der Stammzellspende aufgeklärt.
Sebastian Müller, 2013 bereits in Koblenz stationiert, überlegte nicht lange: „Eigentlich wollte ich nur zur Blutspende. Typisieren ließ ich mich dann spontan.“ Um sich als möglicher Lebensretter bei der Stefan-Morsch-Stiftung zu registrieren, lässt er sich eine Blutprobe abnehmen. So viel wie in einen Fingerhut passt. Eine Sprecherin der Stiftung erklärt: „Das Blut wird in unserem hauseigenen Labor auf die transplantationsrelevanten Gewebemerkmale, die HLA-Werte, untersucht.“ Die Daten werden dann anonym im deutschen Zentralregister des ZKRD gespeichert. Dort laufen die Suchanfragen aus aller Welt auf. Gibt es eine Übereinstimmung mit den Daten eines Patienten, wird die entsprechende Stammzellspenderdatei informiert, die sich dann mit dem Spender in Verbindung setzt.
Sebastian Müller ist im Zentrum Operative Kommunikation der Bundeswehr in Koblenz als Videoredakteur eingesetzt. Schwerpunkt seiner Arbeit ist es, bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr Beiträge zu produzieren, die die einheimische Zivilbevölkerung darüber aufklären und informieren, wie man sich zum Beispiel bei Minenfund verhalten soll. Auch Reportagen und Dokumentationen gehören zu seinem Aufgabengebiet.
Im April 2014 meldet sich eine Mitarbeiterin der Stefan-Morsch-Stiftung bei dem reisebegeisterten Sebastian Müller: Er kommt als Spender für einen Patienten in Frage. „Das hat mich überrascht. Dann habe ich mich gefreut, dass ich helfen kann“, erinnert sich der Soldat. Wenige Wochen später stand fest, dass er der optimale Spender ist. „Nach diesem Anruf hatte ich erst mal Bedenken. Ich hatte was durcheinander gebracht und dachte, es ginge um Rückenmark. Damit hat es aber nichts zu tun“, sagt er. Seine Freundin unterstützte ihn von Anfang an: „Sie war in der Vorbereitungszeit immer für mich da.“ Sie begleitet ihn zum Entnahmetermin und weicht ihm während der Spende kaum von der Seite. Die Familie steht hinter seiner Entscheidung und ist stolz, dass trotz der geringen Wahrscheinlichkeit, als Spender ausgewählt zu werden, Sebastian Müller die Gelegenheit hat, zu helfen.
Bevor der Videoredakteur Stammzellen spenden durfte, wurde er noch umfangreich aufgeklärt und genau untersucht. Diese Voruntersuchungen dienen dazu herauszufinden, ob der Soldat wirklich der optimale Spender ist. Gleichzeitig soll ausgeschlossen werden, dass er ein gesundheitliches Risiko eingeht. Die Mitarbeiter der Stiftung beraten und begleiten Sebastian Müller während dieser ganzen Vorbereitungsphase. Jegliche Kosten für die Untersuchungen, die Versicherung sowie An- und Abreise zum Entnahmeort werden übernommen.
Dann beginnt die entscheidende Phase vor der Transplantation: Mit der Übertragung von Stammzellen bekommt der Patient ein neues blutbildendes System. Die Stammzellen befinden sich im Knochenmark. Um sie zu übertragen, gibt es zwei Möglichkeiten: Die Entnahme peripherer Blutstammzellen aus dem Blut – ähnlich wie bei einer Plasmaspende oder Dialyse. Dazu wird dem Spender einige Tage lang ein körpereigener Botenstoff verabreicht, der die Stammzellen aus dem Knochenmark in das Blut übergehen lässt. In einer Entnahmestation werden dann die Stammzellen aus dem Blut herausgefiltert bzw. zentrifugiert. Apherese heißt dieses Verfahren, das heute am häufigsten angewandt wird.
Bei der klassischen Methode – der Knochenmarkspende – entnehmen die Mediziner Knochenmark aus dem Beckenknochen des Spenders – niemals aus dem Rückenmark. Dieser Eingriff dauert zirka eine Stunde. Weder der Spender noch der Patient erfahren zu diesem Zeitpunkt, wer der andere ist. Sebastian Müller und sein Empfänger bleiben in jedem Fall bis zum Ablauf von zwei Jahren anonym. Erst danach besteht die Möglichkeit, je nach Gesetzeslage des Landes, in dem der Patient lebt, dass sie sich kennenlernen können.
Aber bis dahin ist es noch ein langer Weg: Parallel zur Vorbereitung des Ballsportlers wird in der behandelnden Transplantationsklinik der Patient vorbereitet. Das bedeutet: Das Immunsystem des Leukämiekranken wird stark unterdrückt oder sogar ausgelöscht – durch Bestrahlung oder/und Chemotherapie. Wenn er sich jetzt mit einem Virus infiziert oder es aus irgendeinem Grund mit der Stammzellspende nicht klappt, ist sein Leben massiv gefährdet. Emil Morsch, Vorstandsvorsitzender der Stefan-Morsch-Stiftung: „Eine Transplantation ist immer eine letzte Chance. Diese Chance hat er nur durch Sebastian Müller.“
Nach der Apherese ist Müller von der Hilfe für Leukämiekranke überzeugt: „Im Vergleich zu dem, was der Patient durchmacht, ist die Spende kein Aufwand. Und man wird sehr gut betreut. Leider sind viele nicht richtig über das Thema informiert und denken, man würde Rückenmark spenden.“

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